Du kennst sie sicher, diese wunderschönen Fotos, die ein Element stark in den Fokus rücken und der unwesentliche Teil verschwindet unscharf und schmeichelnd im Hintergrund. Diese Technik ist nicht nur von Foodfotos bekannt, sondern auch von Portraits, Produktfotos oder Hochzeits-Shootings. Ein klassisches Beispiel ist der Brautstrauß, der von beiden Händen nach vorne in die Kamera gehalten wird und scharf abgelichtet ist, das Ehepaar ist verschwommen im Hintergrund zu erkennen.
Es ist wohl DAS Element der Fotografie, das oft beeindruckt. Durch diese gezielten Schärfe-Unschärfe-Effekte erhält man oft das erste ‚Wow‘ für ein Foto und es scheint, dass das der erste Schritt auf dem Weg zum Fotografie-Kenner*in ist. Zu Recht, denn die Schärfe ist eine der zentralen Einstellungen, die man vornehmen kann.
Wie aber steuerst du das ganz konkret? Es dreht sich dabei alles um einen Wert bzw. eine Einstellung: die sogenannte Blende. Dazu spielt noch der Fokuspunkt eine Rolle.
Der Fokuspunkt
Der erste Schritt, um später die Unschärfe steuern zu können, ist ein Fokuspunkt. Stelle deine Kamera so ein, dass du den Fokuspunkt (der Punkt, der im Bild messerscharf zu sehen sein wird) manuell wählen kannst. Das bedeutet, deine Kamera soll nicht automatisch das Größte oder Näheste Element als wichtig und scharf einstellen, sondern du wählst das händisch aus.
Je nach Kameramodell und Preisklasse hast du mehr oder weniger Fokuspunkte zur Wahl. Meine Canon EOS 600D würde ich als Einsteigermodell bezeichnen – sie verfügt über 9 Messpunkte, die in der Regel völlig ausreichend sind.
Konkret funktioniert das beim Fotografieren so: ich positioniere mich mit der Kamera so, dass ich durch den Sucher (das Guckloch der Kamera) den gewünschten Bildausschnitt aus der gewünschten Perspektive sehe. Nun wird geschaut, an welcher Stelle sich das scharfzustellende Element befindet. Den entsprechenden Fokuspunkt wähle ich manuell aus. Bei mir funktioniert das über die Bedienfelder links, rechts, oben, unten.
Durch die 9 Messfelder als Fokuspunkte, die über den ganzen Bildausschnitt verteilt sind, passt es in 9 von 10 Fällen, dass ein Fokuspunkt ziemlich genau das scharfzustellende Element trifft. Ist das nicht der Fall, muss man entweder die Kamera oder das Model ein kleines bisschen bewegen. Ist der Fokuspunkt gewählt, geht es an die wesentliche Einstellung der Blende.
Ungewöhnlicher aber bewusster Fokus auf die Blumen Fokus auf dem Risotto, unscharfe Blumen
Die Blende f
Du kannst die Blende, sprich wie scharf oder unscharf die Bereiche rund um den Fokuspunkt werden über den Wert f steuern, den du wiederum manuell einstellst. Es gibt mehrere Eselsbrücken, um sich den Zusammenhang zwischen Blende und Schärfe zu merken – hier die meiner Meinung nach einfachste:
Die Faustregel für die Blende f
„Je kleiner der f-Wert, desto kleiner der scharfe Bereich.“ Man spricht dabei von großer Blende, lass dich dadurch nicht irritieren. Stellst du also einen kleinen f-Wert ein, ist der scharfe Bereich klein.
Welcher f-Wert ist möglich?
Das hängt von deinem Objektiv ab und kann stark variieren. Du findest die Möglichkeiten am Objektiv kleingedruckt abgebildet. Bei meinem 50mm-Objektiv reicht die Bandbreite von f 1.8 bis f 20. Für meine Foodfotografien, die relativ nahe am Objekt sind und meist deutliche Schärfe-Unschärfe aufweisen, verwende ich stets einen passenden Wert zwischen 2 und 3,5, selten darüber – dies, damit du eine Vorstellung bekommst. Damit entsteht ein deutlicher Schärfe-Unschärfe-Verlauf.
f 2.2 – kleiner scharfer Bereich rund um den Fokus an der vorderen Brotspitze f 9 – großer scharfer Bereich: das ganze Brot ist deutlich erkennbar
Wohin geht die Unschärfe?
Eine der wichtigsten Dinge, die man dabei wissen und verstehen muss: es geht bei der Schärfe und Unschärfe immer und ausschließlich in Richtung vorne und hinten aus Kamerasicht. Das bedeutet: von deinem gewählten scharfgesellten Element wird es nach vorne und hinten unscharf – nicht nach links und rechts. Alle Elemente, die sich auf gleicher Linie wie dein Fokuspunkt befinden, werden also auch scharf.
Um das zu verdeutlichen: wenn du von oben (aus der Vogelperspektive) auf einen Teller fotografierst, gibt es so gut wie null Effekt durch den f-Wert. Warum? All deine Elemente liegen flach auf nahezu gleicher Ebene: Teller, Unterlage, Besteck, Speise.
Vom eingestellten f-Wert zum Foto
Nun ist es tatsächlich erstmal ein kleines Trial & Error-Spiel, bis du deine Kamera gut kennst und in einigen Versuchen jeweils das Ergebnis zum eingestellten Wert siehst.
Du hast also den Fokuspunkt gewählt und einen f-Wert eingestellt. Drücke nun den Auslöser halb durch, damit deine Kamera fokussiert. Danach drückst du ganz durch. Das Foto ist nun im Kasten und du kannst sehen, wie stark der Schärfe-Unschärfe-Effekt geworden ist.
Warum variiert der Effekt, obwohl der f-Wert gleich ist?
Damit die Sache noch einen Hauch spannender wird, gibt es noch einen nennenswerten Einflussfaktor auf das Ergebnis: wie nahe du mit der Kamera am Set bist, sprich: ob es tatsächlich eine Nahaufnahme werden soll oder ob doch ein größeres Setting aufgebaut ist. Ein Muffin im Fokus ist schließlich etwas anderes als eine großer Striezel Brot. Auch hier wieder eine Faustregel:
„Je näher du am Objekt bis, desto größer ist der Schärfe-Unschärfe-Effekt“. Du musst also die Wahl des f-Werts auch dahingehend anpassen, wie nah du am Objekt sein wirst. Zwei Beispiele zur Verdeutlichung:
Fotografierst du einen Muffin am Tisch stehend, wird die Unschärfe trotz f 1.8 gering ausfallen. Gehst du hingegen mit der Kamera so nah als möglich an den Muffin für eine Nahaufnahme, erzeugst du sehr große Unschärfe. Sehr wahrscheinlich wird nicht einmal der ganze Muffin scharf abgebildet sein. Genau das ist die Kunst daran und die Herausforderung, damit zu spielen und zu experimentieren.
Größere Entfernung – kleinerer Effekt Nahaufnahme mit starker Unschärfe
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